Montag, 30. Juni 2014

Rap-Review - Ausgabe 4 - Juni 2014 - Celo & Abdi, KC Rebell, Sierra Kidd, OK Kid, KaynBock

Rap ist, speziell in Deutschland, so facettenreich wie nie. Mehr als 10 neue Alben erwarten uns Monat für Monat - Und das nur über Labels, Free-Releases noch gar nicht gerechnet. Wer zu wenig Zeit oder Geld hat, sich jede LP zu kaufen, kann ab sofort auf mich vertrauen. Zumindest halbwegs. Ich gebe jeder Platte ihre gerechte Chance und eine Bewertung von 1 - 6 Sternen. Heute erwarten euch unter anderem die Platten von Celo & Abdi, KC Rebell, Sierra Kidd, OK Kid, KaynBock.


KC Rebell - Rebellution (30.05.2014)


Was gehört alles zu einer Revolution? Nicht nur Waffengewalt, nein. Ein Ideal, was es schafft, die Masse zu begeistern, anstatt simple Einzelpersonen. Einen Umbruch, den die Masse will und für den sie bereit sind, zu kämpfen. Einen klugen Kopf an der Spitze, der eine Revolution in die Richtung leiten kann, dass es nicht nur in einem sinnlosen Widerstand gegen Staatsgewalt endet, sondern einen Gegenwind erzeugen kann. Außer Muskel gibt es nichts davon auf der selbst ausgerufenen „Rebellution“ des Hüseyin Köksecen. Zwischen zärtlichen Balladen und harten Battletracks ist nichts, was einem Umbruch gleich kommt. Ganz im Gegenteil, KC Rebell kaut Altes nochmal neu durch. Wenn er mir also mit Vergleichen á la „Das ist wie beim Pissen, ich sitz am längeren Hebel“ punkten will, dann hätte das 2010 bestimmt funktioniert. Dazwischen werden ein paar mehr als plumpe Balladen eingespielt, denn wenn ein Wort stellvertretend für „Banger“ steht, dann Zärtlichkeit. So beleidigt, weint und singt er seiner Traumfrau auf „Herzblut“ hinterher mit einer Idee, die man hätte so cool umsetzen können, stattdessen aber auf billigste Art und Weise mit Telefoncalls und schief eingesungener Hook einspielt. Wenn mir der große Rebell dann erzählt, wie er zuerst die Freundin seines Freundes und danach auch noch den Freund selbst fickt („Hayvan“) und keine 2 Tracks später mir etwas von seiner Ehre, seinem Respekt und seiner ehrlichen Ader erzählt, dann kommt das mir auch nicht so vor, als könnte er der große Redner vor der rebellierenden Masse werden. Fazit – Rebellution gescheitert.
Bewertung: 1,5 von 6 Sternen
Bester Track der Platte: Zu spät

OK Kid - Grundlos (06.06.2014)


Seht ihr das Cover gut genug, da, rechts außen? Ja? Dann schaut euch das mal genau an. Diese endlose Blau, umrandet von den fliegenden Gestalten, die ins Nichts zu fallen scheinen. Und trotzdem in irgendwie freudiger Erwartung, dass irgendwo in dem Meer, dem Himmel oder weiß Gott, wo sie hinfallen, etwas gutes auf sie wartet. Ihr könntet das natürlich auch selbst sehen, aber irgendwo beschreibt das Cover die gesamte EP der Jungs absolut perfekt. Locker, lässig, smooth, zweideutig, unbestimmt – All das passt aber auch ganz gut auf OK Kid, die „kurz vorm Hit links abgebogen“ sind. Die Jungs sind keineswegs die besten Musiker. Schon recht nicht die besten Rapper. Ganz im Gegenteil, so monoton, wie jeder der Parts klingt. Und exakt diese Monotonie überträgt diese Selbstironie, verpackt zwischen dezenten Andeutungen und Wortspielerei auf einem ganz anderen Level, macht die Grundlos EP aus. Der Name passt hierbei ähnlich gut – OK Kid trägt einen durch die lockere Untermalung durch eine Wolkenwelt, in der alles ok zu sein scheint, auch wenn man genau weiß, dass am Asphalt die knallharte Realität wartet. Der Soundteppich fängt dich aber lieber vorher auf, bevor du einschlägst – Lässt dich aber trotzdem wissen dass es ihn gibt. „Und wenn alle Stricke reißen, bleibt die Borderline.“

Bewertung: 4,5 von 6 Sternen
Bester Track der Platte: Borderline


Celo & Abdi - Akupunktur (06.06.2014)


Jede Line wie eine Nadel – Celo & Abdi setzen den Stich. Was die beiden perfekt verbindet ist der Ausgleich, den sie miteinander schaffen. Auf der einen Seite Celo, der wohl auch 5 Minuten, komplett ohne Luft zu holen, auskommen würde, auf der anderen Abdi, der die unglaubliche Fähigkeit besitzt, absolut alles wie einen guten Reim klingen zu lassen. Wenn die beiden Azzlackz dann noch thematisch absolut alles richtig machen, indem sie das ganze so variantenreich wie selten ein Release aus dem Camp gestalten, dann ist Akupunktur halt eines der besten Alben des bisherigen Jahres. Vor allem Dingen, wenn man es dann noch schafft, dass es ausnahmsweise nur gute Features zu hören gibt. Ein kleines Wunder bei über 7 Stück. Allen voran Yasha, der Abdi McFly und Dr. Celo Brown in ihrer Reise durch die Zeit mit einer Ohrwurmhook begleitet, die man so wahrscheinlich auf jedem guten Festival dieses Jahr hören wird. SSIOs Fixkosten-Problem in einer für Rick Ross unannehmbaren Höhe wird ebenso eindrucksvoll wie intensiv vorgestellt. Daneben gibt es noch die obligatorische Ernennung zum „Duo Numero Uno“, auch wenn das derzeit vielleicht noch ein wenig Stunk mit Genetikk geben könnte. Auch wenn vielleicht nicht jede Line so sitzt wie ein Stich in den Rücken, egal. Nichtsdestotrotz ist das Ganze, von der Verräterjagd mit Capo bis zur Bolzplatz-Hymne, einfach so rund wie selten ein Release der Azzlackz. Wenn Hafti nicht schleunigst mal wieder ein ganzes Album hervorzaubert, wankt der Thron, auf dem er aktuell sitzt mehr als nur ein wenig.

Bewertung: 5 von 6 Sternen
Bester Track der Platte: Zurück in die Zeit feat. Yasha


KaynBock - Astronaut (13.06.2014)


Blick in den Himmel, die letzte Sternschnuppe funkelt vorbei, und der letzte Wunsch, sie einmal zu fangen – Oder wenigstens besuchen zu können. Alles nur ein Traum. Auch der von Pilot 343 KaynBock, der seinen Jugendwünschen endlich wieder nachjagt, nachdem man so lange auf sein Soloalbum warten musste. So verträumt, wie diese Kleinkindfantasie schon wirkte, hört sich auch „Astronaut“ an. Der Zwiespalt zwischen den längst verglommenen Schnuppen am Himmel und der bitteren Realität, in der Essah-Zögling KaynBock Höhenangst hat, begleitet einen alle 12 Tracks lang. Beim Antreten zur Reise auf den Mond findet er nur tote Planeten, die ihn daran erinnern, dass Kinder entweder Kinder bleiben oder aufwachen, denn alte Kinder gibt es nicht. KaynBock wirkt selbst so, als wisse er nicht wirklich, zu welchen der beiden Fraktionen er wirklich gehört. So kommt das Album ohne ein richtiges Konzept, aber mit einem Rapper daher, der einfach nur ehrlich wirkt, anstatt die hundertste Aufzählung von seinem Können zu präsentieren. Hier und ist das inhaltlich aber doch schon mal gehört. An „Wir ignorieren die, die uns lieben und lieben die, die uns ignorieren“ hat man doch schon einmal exakt so 2011 gehört und das Sample von „Fremd stehen“ erinnert nicht nur ein wenig nach Pis „Kompass ohne Norden“. Lässt man das noch als Inspirationsquellen durchgehen, bleibt ein verträumtes Album über, dass nicht nur über vergangene Liebe, geplatzte Träume und Fehler der letzten Jahre handelt, sondern auch über einen Rapper, der das einsehen kann und verarbeitet. KaynBock, ready for take off.

Bewertung: 4,5 von 6 Sternen
Bester Track der Platte: Kaputt


Sierra Kidd - Nirgendwer (04.07.2014)


Wenn die rosa-lila-pinke Kopfvilla bröckelt, sollte man meinen, die bunte Außenwelt besser sehen zu können. Doch vielleicht sind die Probleme innerhalb der Hausfassaden doch kleiner als das, vor dem Sierra Kidd jetzt steht. Als "Nirgendwer" wagt er den Balanceakt zwischen Leben im Dorf, wo eigentlich das Abitur auf den 17-Jährigen warten sollte, und der Albumproduktion in Berlin, wo RAF Camora dem Jungen seine Beats maßschneidert, seit er unlängst sein wahres Talent auf YouTube fand. Fernab von den Abschlussprüfungen scheint der Junge schon viel mehr in seiner eigenen kleinen Rap-Welt verankert zu sein. So findet sich, nicht einmal ein Jahr nach der Kopfvilla-EP, mehr als 16 Tracks auf seinem Debütalbum. Ein Arbeitstier – oder doch eher – Nichtschläfer. Etablierte Künstler nimmt sich Sierra Kidd hierbei kaum zu Hilfe, wenn man mal von seinem Mentor RAF und Prinz Pi absieht. Frei nach dem Motto „Papa, ich kann das auch allein. Ich bin kein Kind mehr.“ Von präpubertären Problemen ist der 17-Jährige auch mehr als weit entfernt, eher in der typischen Welt eines Teenagers gefangen, obwohl er doch eigentlich ganz anders sein will. So hat er seine Miss Sierra 2014 zwar gefunden, aber 540km zu weit weg. So plagen ihn weiterhin die selben Probleme, die man schon letztes Jahr von ihm hörte – Und er verpackt sie immer noch ähnlich gut. Sierra Kidds Textniveau ist weit entfernt von dem, was man als 08/15-Lyrics bezeichnen könnte, aber dennoch recht eintönig. Auf 16 Tracks ist es, trotz grandioser Untermalung von RAF Camora, mehr als schwer, den Liebeskummer zu ertragen. Ständige Melancholie auf einer solchen Länge ist zu monoton, um das noch länger so durchziehen zu können. Irgendwann einmal läuft sich auch das interessanteste Thema mal tot. Da ist es fast schon erleichternd, einen schnelleren und fröhlicheren Beat zu hören, auch wenn es thematisch ähnliche Pfade schlägt (Knicklicht). Und dennoch ist es faszinierend, wie routiniert man mit so wenig Lebenserfahrung schon klingen kann. So on point setzen manche Rapper mit 10 Jahren Erfahrung ihre Zeilen nicht.
Fazit ist, dass mit Sierra Kidd wohl der interessante und beste Newcomer 2014 gefunden ist – Der sich aber schleunigst neue Themen suchen sollte, denn die Abrissbirne kommt schneller, als er sie vielleicht erwartet, wenn man die Kopfvilla nicht regelmäßig saniert.

Bewertung: 4 von 6 Sternen
Bester Track der Platte: Knicklicht


Keine 2. Zeile wert



Johnny Pepp – Achtnullacht

Ruffinction – Ruffnecks


International Business


50 Cent - Animal Ambition: An Untamed Desire to Win
Sagt mal. Dieser 50 Cent, ne. Der war doch mal gut. Warum denn jetzt nicht mehr. Einem Eminem wird ja auch immer wieder vorgeworfen, dass er seit seiner Rückkehr weit nicht mehr so gut ist. Nur ist ein Eminem mit 50% eben immer einer der besten der Welt, ein 50 Cent mit halber Leistung nicht einmal mehr eine Erwähnung wert. Animal Ambition: An Untamed Desire to Win ist keinesfalls schlecht, nur einfach irrelevant. Auf Plastik-Beats billig eingespielte Synthies, andauernd nur das selbe Gerede, nervige Tiergeräusche, die nichts mit Musikalität und Hörgenuss zu tun haben und dann auch noch Trey Songz. Was der Mann da veranstaltet hat längst nichts mehr mit „Get rich or die tryin“ am Hut. Warum man dann auch noch Rapper wie „Kidd Kidd“ circa 10 Mal zu Promozwecken einbauen muss, bleibt mir bei solch einem belanglosen Jungen auch ein Rätsel. Eigentlich schade, wenn selbst ein Schoolboy Q nichts mehr rettet an einem Album, was vielleicht nicht schlecht, aber mehr als belanglos ist.

Bewertung: 2 von 6 Sternen



Free and lonely


Aytee – Cyberjunk EP


Nach seiner Qualifikation für das JBB sollte der kurzlebige Hype schon vorprogrammiert sein, denn Aytee kann rappen. Sehr gut sogar. Das zeigt er auf seiner letztens erschienenen Solo-EP „Cyberjunk“ auch noch einmal. Egal, ob er zusammen mit den Terminatoren der Mason Family die Szene aufmischt, seinen „Arbeitsalltag“ als einziger Rapper Deutschland mit einem Text in 2 Monaten oder mit LZA, bekannt aus Facial Traffic, noch einmal harte Punchlines auf düsteren Beats auspackt, es ist immer aggressiv und technisch anspruchsvoll gerappt. Die EP gibt es zum freien Download via tapez.eu und umfasst 14 Tracks.




In stiller Selbstkritik...


Nein, Talion 2 hat von mir keine Review bekommen. Zurecht nicht.
Liebe Grüße gehen raus an 4tune, der durch das Album, dass ursprünglich am 13. Mai erscheinen sollte, meine Planung für mittlerweile 3 Ausgaben der Rap-Reviews kaputt gemacht hat. Props!

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