Sonntag, 3. August 2014

Rap-Review - Ausgabe 5 - Juli 2014: Kontra K, Sorgenkind, 4tune, Umse, Shawn The Savage Kid

Rap ist, speziell in Deutschland, so facettenreich wie nie. Mehr als 10 neue Alben erwarten uns Monat für Monat - Und das nur über Labels, Free-Releases noch gar nicht gerechnet. Wer zu wenig Zeit oder Geld hat, sich jede LP zu kaufen, kann ab sofort auf mich vertrauen. Zumindest halbwegs. Ich gebe jeder Platte ihre gerechte Chance und eine Bewertung von 1 - 6 Sternen. Heute erwarten euch unter anderem die Platten von 4tune, Sorgenkind, Kontra K, Umse und Shawn The Savage Kid. 



4tune - Einer muss es ja tune (04.07.2014)


Einatmen, ausatmen, ruhig bleiben. Der Puls steigt langsam an. Jedes Haar am Körper spannt sich. Die sind da wegen ihm. Die Masse tobt längst vor der Bühne. Die letzten Töne verstummen und du weißt, es ist die Zeit. Raus da. Eine Stunde. Vielleicht zwei. Sie lieben ihn, das wird doch kein Problem sein. Und alle Zuschauer feiern ihn doch. Seit er die Mütze aufhat, darf er auf die Bühne, der kleine 4tune. Ohne sieht das vielleicht wieder ganz anders aus. So selbstreflektiert zeigt sich das Reimebude-Mitglied in seinem Intro „Dreams“. So stimmungsvoll kann man doch einen Albumauftakt gestalten. Richtig gut! Nur was danach kommt, erinnert einen dann doch eher an das YouTube-Video eines Stagedivers, der von niemanden hochgehalten wird und mit voller Wucht auf dem Asphalt landet. Warum passiert sowas? Richtig, weil einer muss es ja tune. Aiaiai. Mario, will ich sagen, du hättest es doch ahnen können. Ahnen, dass das nichts wird. Die Fantas wollen dein Album nicht, die JBB „Jury“ schmeißt dich gegen Amateure beinah raus, die „Bald ist sie weg Edition“ gibt’s immer noch bei amazon zu kaufen – Warum hast du das alles nicht gesehen. Es hätte uns allen einiges erspart. Der Hamburger Magier versucht sich an der Mischung von bitterer Ehrlichkeit um seine Person und infantilem Battlerap-Humor auf Albumlänge, und wie soll man sagen – Pseudodeep trifft Kindergarten. Wenn mir jemand ernsthaft etwas über die Kredibilität des Künstlers hinter Mütze und Sonnenbrille und Gesellschaftskritik anbringen möchte, zwei Tracks später dann aber meint er hätte „den größten Dick, und das ist wie deine Mutter – schön für mich“, den kann ich doch nicht ernst nehmen. Nun gut, da bröckeln die ernsthaften Nummern eben weg. Der Kindergarten-Humor wird auf Albumlänge so langatmig wie ein „DVD Abend“ mit der X-Beliebigen Frau, die unbedingt ALLE Twilight-Filme gucken will und am Ende einschläft. Einigermaßen gelungene Intros, ein guter Jason-Part und durchgehend solide Technik retten vor der Totalkatastrophe, lassen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass 4tune zwischen den letzten 3 Battle-Turnieren vergessen hat, sich endlich Talent als Songwriter herzuzaubern. So wird es dann wohl stehen bleiben, bis zum nächsten Auftritt und vor allem – bis zum nächsten lustigen YouTube-Video, Mario. Einer muss es tune. „Denn deine Runde klingt wie n mieses Album-Snippet!“ (Persteasy, schon 2013.)

Wertung: 1,5 von 6 Sternen
Bester Track der Platte: Dreams

Kontra K - Wölfe (04.07.2014)


Königsdebatten im Deutschrap an der Tagesordnung. Die Hofnarren krönen sich mittlerweile schon zum Kaiser – Zeit, dass jemand durchgreift. Jemand, der das auch kann. Ein echter Alphawolf, ohne sinnlose Titelansprüche. Ob Kontra K genau dieser ist, steht nun zur Debatte. Die Wölfe EP schaut aber nicht nur auf die starken Alphamännchen, sondern auch auf diejenigen welche, die zum Glück zurück gelassen wurden. Wer „Ratten“ hört, weiß, für welche Werte Kontra einsteht – Ehrlichkeit, Standhaftigkeit, Stolz, Loyalität. Kein Platz für die schwachen Tiere. Sein Rap steht stellvertretend für die Einflüsse, welche sein Leben prägen. So wirkt es fast schon befremdlich, wenn Pipi Langstrumpf plötzlich das „Adrenalin“-Intro trällert. Und trotz solcher, kleinerer Ausfälle trumpft Kontra K mit einem bombastischen Soundbild auf, was zum „nebenbei genießen“ geradezu einlädt. Schon beinahe melodisch wirkt es dann, wenn der Alphawolf druckvollen Rap mit einer Gesangsstimme verbindet und auf „Erde und Knochen“ zu den Ursinnen eines Wolfs zurückfindet. Aber auch genauso unpassend leider, während doch „Wo sie scheitern“ wiederum einen unglaublich intensiv geführten Rapstil aufgreift. Die Ode an die Standhaftigkeit, gegen das Aufgeben, schließt eine EP ab, die mehr von Kontra K inne hat, als wenn er monoton seine Lebensgeschichte runterleiern würde. Keine privaten Stories und trotzdem Transportieren von Werten, Eindrücken und Gefühlen – Das können nur wenige. Ganz wenige Alphawölfe eben.

Wertung: 4 von 6 Sternen
Bester Track der Platte: Wo Sie Scheitern

Sorgenkind - Sommerloch EP (18.07.2014)


Von A nach X und, wie es aussieht, zurück – Sorgenkind ist wieder da. Nicht ohne einen kurzen Zwischenstopp in die Pop- und Rockwelt mit „Quarterback 40“ gemacht zu haben, füllt Nug mit seiner neuen EP nun höchstpersönlich das Sommerloch. Und wie schön das klingt erst. Viel geändert an Stil hat er nämlich nicht. Genauso verträumt, genauso bitter und ironisch, wenn es der Moment verlangt, und vor allem genauso gut ist Sorgenkind weiterhin. Ob er nun die „schöne Barfrau“ mit dem bestimmt baldigen Durchbruch und dem fast schon fertig geplanten Leben beeindrucken will oder als Heimwerker mit 2 linken Daumen an der Beziehung herumwerkelt („Umsonst“), irgendwie wirkt alles so gewohnt sympathisch formuliert. Vor allem Dingen – so gewohnt und grundehrlich. Nach dem Eröffnungstrack war das nicht abzusehen, als „Sorgenkind is back“ darauf schließen lies, dass Nicos größtes Problem nicht die unbezahlten Rechnungen sind, sondern das Zepter, welches immer noch niemand abgespült hat. Der Stilbruch kommt unerwarteter und unschöner als erhofft, täuscht aber nicht über die Qualität der 5 folgenden Tracks hinweg. Vor allem Dingen die Sinn- und Existenzsuche in der stillen Hoffnung, den Ort zu finden, an dem sich die Welt nicht dreht, weiß durch seine Stimmigkeit zu überzeugen („Ich bleib“). Nug ist außerdem der einzige Rapper der Welt, bei dem sogar die „Outtakes“ interessant klingen. Nach 6 Tracks wirkt der Hörer um eine Info reicher – Sorgenkind ist weder der beste Rapper, noch der allerbeste Sänger. Und umso unperfekter die EP klingt, umso runder ist das Gesamtpaket am Ende. Klingt paradox? Im Sommerloch ist ja sowieso nicht alles richtig.

Wertung: 4,5 von 6 Sternen
Bester Song der Platte: Schöne Barfrau

Umse - Kunst für sich (25.07.2014)


„Die Lächeln am Morgen sind weniger geworden“ – Ganz treffend, was Umse da sagt. Nur – Wie kann man das ändern, ohne es mit einem Augenzwinkern zu meinen? Wer es ehrlich ausdrückt, macht einen deepen Track, der vor Fremdscham nur so sprühen könnte. Wer es lustig oder lockerleicht verpackt, bringt vielleicht die Message nicht rüber. Umse wählt Weg 2 und vielleicht ist diese Sicherheit das, was mich stört an „Kunst für sich“. Doch – Wirklich mehr gibt es da eben auch nicht zu kritisieren. Das wirkt schon mehr als rund, was der gebürtige Ratinger da macht. Wenn sich dann Megaloh („In Aufruhr“) und Flo Mega („Dieses Jahr“) dazugesellen, dann merkt man, wie viel Feingefühl er in der Wahl seiner Features hat. Doch vor allem ehemaliger VBT-Jüngling Pimf kann überzeugen. Wie down geblieben er trotz der plötzlichen Berühmtheit ist, stellt der Rapper auf „Steck meine Zeit in Rap“ noch einmal, gemeinsam mit Abroo, klar. Gemeinsam mit Umse ein stimmiges Trio, das durch einen chilligen Oldschool-Flavour, der einfach trotz monotoner Betonung unverwechselbar klingt, überzeugen kann. Zwischen den Liebesbekundungen für unser aller Lieblingsmucke, abgedroschenen Phrasen, die stilecht ironisiert werden (Du und meine Mukke könntet Freunde sein!) blitzt aber immer noch die Seite von Umse durch, von der ich gern mehr hören würde. Die, die eben auch tiefer hinter die Fassade blickt so wie teils auf „Erdbeben“. Falls das nicht passiert, kann Umse gern auch dort bleiben – Vor allem Dingen seinem Stil treu, wenn es um Instrumentale geht. Denn kein Rapper Deutschlands hat so schöne Jazz- und Soul-Samples zum Berappen.

Bewertung der Platte: 3,5 von 6 Sternen
Bester Track der Platte: In Aufruhr feat. Megaloh

Shawn The Savage Kid - Egoprobleme (01.08.2014)


Wie man in der letzten EP „Kennen wir uns?“ erfahren durfte, hat Shawn so ein paar Probleme mit Gedächtnislücken. Das mit der Schizophrenie klären wir aber erst ab dem 1.8., wenn Egoprobleme erscheint. Da erfahren wir nämlich, dass es bedeutend mehr Shawns gibt, als bisher angenommen. Wenn er nicht gerade als weltbekannter A-Promi durch Hollywood düst oder als Schlagerstar die Bars und Clubs in Mallorca abarbeitet, es verbergen sich immer mehr Egos im Künstler. Keine Sorge, die sind aber eigentlich fast alle irgendwo auch sympathisch. Probleme könnte es nur mit dem schwererziehbaren „Hollywood Hank“-Fan geben, der stets sympathisch die Ellenbogen ausfährt beim Bahnausstieg. Immer locker und seicht bewegt sich der Regensburger durch die verrücktesten Szenarien seines eigenen Kopfs und präsentiert uns den Storyteller, den er uns schon auf seinem Erstlingswerk näher brachte. Nie ganz authentisch, aber immer sympathisch erzählt er auch über seinen eigenen Dolly, der für ihn die ungeliebten Arbeiten erledigen kann. Speziell thematisch weiß das Showdown-Records-Signing durch eine Vielschichtigkeit zu überzeugen, die kaum ein Newcomer so hat. Musikalisch holt er sich Unterstützung der Wienerin Soia, die perfekt ins Gesamtbild hineinpasst. Wer sich in die Texte von Shawn The Savage Kid hineinversetzen will, wird mit „Egoprobleme“ genauso viel Spaß haben wie jemand, der Rap einfach nur nebenbei genießt.

Wertung: 4 von 6 Sternen
Bester Track der Platte: Ellenbogen



Keine 2. Zeile wert 


Baba Saad - Das Leben ist Saadcore 

Dexter - Palmen & Freunde 



In stiller Selbstkritik. 


Auch diese Ausgabe ist wieder kurz vor knapp entstanden. Und das ist noch recht freundlich ausgedrückt, eigentlich meine ich damit, dass "kurzfristig" das gar nicht mehr beschreiben kann, in was für einem Wahn die Planung entstanden ist. Um die Qualität der Reviews zu sichern, verzichte ich auf alle anderen Kategorien und gelobe für den August Besserung. Große Vorfreude auf Teesy, Olson und Ahzumjot. Wird eine schöne nächste Ausgabe. Cheers! 


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